
Letzte Aktualisierung am 1. Juli 2024
Ein Jahr vor Fertigstellung des neuen Leipziger Rathauses lud der Leipziger Ratskeller am 1. Oktober 1904 seine ersten Gäste ein. Es war geschafft – endlich gab es in Leipzig nach 78 Jahren wieder einen Ratskeller mit guten Weinen ehrlichen Preisen.
Der Leipziger Ratskeller hatte von Anfang an einen Ruf als „Volks-Schenke“ weg.Dank seiner moderaten Preise, einer zentralen Lage mit vorzüglicher Verkehrsanbindung sowie der guten Qualität seiner Weine und Speisen war der Ratskeller in den „einfachen“ Kreisen sehr beliebt.
Die Mehrzahl der zentral gelegenen Leipziger Lokalitäten waren dem einfachen Manne zu teuer oder aufgrund geringer räumlicher Kapazitäten ungeeignet, um Gäste des anderen Geschlechtes kennen zu lernen. Der neue Leipziger Ratskeller war jedoch schnell als „Single-Börse“ beliebt, was ein Buch („Leipzig und die Leipziger“, Georg Müller-Heim, Teutonia Verlag) aus dem Jahr 1906 belegt.
Der erste Pächter und maßgeblich für den Ruf des Leipziger Ratskeller verantwortlich, war Karl (Carl) Ernst Blechschmied.
In öffentlich zugänglichen Quellen findet man kaum Informationen zu Karl Blechschmidt. Weder im Leipziger Adressbuch wird er geführt, noch in genealogischen Datenbanken genannt. Nur auf Ansichtskarten und Werbematerialien zum Leipziger Ratskeller findet man Blechschmidts Spuren. Und im damals beliebten Verzeichnis „Leipzig und die Leipziger“ von Georg Müller-Heim. Der Autor erwähnt Karl Blechschmied als „Schützling der Leipziger Weinwirte und als Freund von Weinhändler A. Bodenstein“.
Wer war A. Bodenstein? Adolf Bodenstein (1856 – 1925) gründete 1886 eine Weingroßhandlung in Leipzig. Zum Rat der Stadt Leipzig unterhielt Bodenstein vorzügliche Kontakte. Im Jahr 1899 kaufte er von der Stadt Leipzig auf dem Gebiet der ehemaligen Pleißenburg für 300.000 Mark ein 762 m² großes Grundstück – ein Filetstück im Herzen der neuen Machtzentrale Leipzigs, 100 Meter vom späteren Ratskeller entfernt.
1901 ließ Bodenstein an der Adresse der neu entstandenen Markgrafenstraße 10 ein Wohn- und Geschäftshaus mit mehreren Weinstube errichten. Das Haus mit Durchgang von der Markgrafen- zur Schulstraße (heute Ratsfreischulstraße) beherbergte die „Gotische Halle“, „Romanische Halle“ und ein Gesellschaftszimmer.
In einer Anzeige von 1906 wirbt Karl Blechschmidt mit einem reichhaltigen Angebot an Tages- sowie Abendspeisen, Diners und Soupers in jeder Preislage mit Weinen vom Rat der Stadt Leipzig zu Originalpreisen.
Blechschmidts Ratskeller wurde schnell regional sowie überregional bekannt. Es dauerte nicht lange und der sächsische König wurde auf den Ratskeller aufmerksam. Im Jahr 1913 wurde Blechschmidt zum königlichen Hoflieferant ernannt.
Für den Ratskeller lief es in diesen Jahren finanziell sehr gut. Im Jahr 1922 wurde gründlich renoviert und umgebaut, es musste mehr Platz für die Gäste geschaffen werden. Bisherige Personalräume wurden zu Bewirtungsräumen umgebaut, es entstand das Kaffeekabinett und das Hochzeitszimmer.

Im Jahr 1929 feierte der Leipziger Ratskeller sein 25. Jubiläum. Die ausgegebene Prägemarke kann noch der Zeit Blechschmidt zugeordnet werden.
Der Pächter Karl Ernst Blechschmidt überdauerte das deutsche Kaiserreich, den 1. Weltkrieg und möglicherweise die Weimarer Republik. Die sogenannte Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 überstand er nicht. Bereits 1933 tauchte ein neuer Pächter auf den Ansichtskarten des Leipziger Ratskellers auf – Wilhelm Karst.