Der 2. Pächter des Leipziger Ratskeller: Wilhelm Karst (1933 bis 1945)

Dieser Artikel ist Teil 1 von 1 Beiträgen der Serie Der Leipziger Ratskeller

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Letzte Aktualisierung am 22. November 2023

Seinen guten Ruf hatte der Leipziger Ratskeller dem ersten Pächter, Karl Blechschmidt, zu verdanken. Von 1904 bis vermutlich 1933 führte er die Geschäfte. Ab 1933 verzeichneten Ansichtskarten einen anderen Pächter – Wilhelm Karst.

Das Datum deckt sich mit dem Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland und ihren „Säuberungsaktionen“. Ob der Pächterwechsel politisch bedingt war, vermag heute niemand mehr zu sagen. Diesbezügliche Aufzeichnungen aus der damaligen Zeit sind nicht mehr vorhanden oder öffentlich zugänglich.

Ansichtskarte Leipziger Ratskeller Karst 1933
1933 – Wilhelm Karst als Pächter des Neuen Ratskellers

Ein Leipziger Adressbuch von 1935 führt Wilhelm Karst als „Gastwirtschaft z. Ratskeller“.

In der Planungsphase des Leipziger Ratskellers ging es um die Frage, ob der neue Ratskeller ein Ratsbierkeller, Ratsweinkeller oder von Beides etwas werden sollte. Die Stadt Leipzig entschied sich in einer Abstimmung 1902 für den Betrieb eines „Ratsweinkeller“ – ein Bierausschank täte nicht der Würde des neuen Rathauses gerecht werden.

Die Zeiten änderten sich nach Karl Blechschmidts wirken als 1. Pächter. Als Wilhelm Karst 1938 eine „Altdeutsche Bierstube“ bewarb, brach er mit einer langjährigen Tradition. Ein neuer Geist nahm Platz im Neuen Rathaus.
Karst verkündete diese Neuheit in einer Werbung mit den Worten: „Bitte besuchen Sie auch die Altdeutsche Bierstube, zum Ratskeller gehörend, Lotterstraße1. Die selbe Speisekarte wie im Ratskeller!“.

Bier stieg mittlerweile zum Nationalgetränke in der neuen Deutschen Nation auf. Was das Volk wollte, wurde dem Volk gegeben.

Im Kriegsjahr 1939 wurde das männliche Personal knapp. Wilhelm Karst musste erstmals weibliches Servicepersonal einstellen.

In den letzten Kriegsjahren wurde es ungemütlich für den Leipziger Ratskeller. Die 8. US-Luftflotte griff am 6. April 1945 weite Gebiete im Bereich des Leipziger Zentrums an. 321 Bomber vom Typ „Boeing B-17“ mit hunderten Begleitjägern und rund 830 Tonnen Bomben flogen den letzten Angriff der US-Luftflotte gegen Leipzig. Ausgerechnet an diesem Tag von 9 bis 11 Uhr wurden das Neue Rathaus und gegenüber liegende Häuser massiv getroffen.

Der Leipziger Ratskeller, hinter meterdicken Wänden im Kellerbereich, wurde weniger in Mitleidenschaft gezogen. Doch an einen regulären Betrieb konnte nicht gedacht werden. Plünderer zogen 1945 durch Leipzig, Lebensmittel waren knapp und die Besatzungsmächte verhangen Ausgangssperren.

Als der Krieg zu Ende war, war es auch zu Ende mit Wilhelm Karst im Ratskeller. Der Leipziger Ratskeller wurde zu einem Kommunalen Wirtschaftsunternehmen, eine Wirtschaftsform zu Zeiten der Sowjetischen Besatzungszone in der DDR.

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