Letzte Aktualisierung am 1. Juli 2024
Wir machten 1991 eine kleine Weltreise, waren unerfahrene „Ossis“ und jung (21). Über Österreich kreuz und quer durch Italien, rüber mit der Fähre nach Griechenland und dort spontan mit dem Flieger nach Ägypten. Die letzte Etappe war nicht geplant, Literatur stand uns nicht zu Verfügung.
In der DDR durften wir von Rom, Athen und Kairo nur träumen – jetzt wollten wir unbedingt alles mitnehmen. In Griechenland kauft ich noch eine riesiges schwertartiges Messer, denn mit Ägypten verband ich den Nil, mit ihm assoziierte ich Nilpferde und die leben ja in den Tropen – oder zumindest gibt es da dschungelartige Gegenden, die ich unbedingt erforschen wollte. Im Fernsehen der DDR wurde nicht viel über Ägypten, das Land und die Vegetation berichtet. Einzig im Geschichtsunterricht erfuhren wir etwas von der ungeheuren Kultur der alten Ägypter. Und da wollten wir hin. Rückblickend – das musste ja schief gehen!
„Falscher“ Reiseführer, „Kaffee-Fahrten“ und Wucherpreise
Wir hatten bei unserer ersten Ägyptenreise so einen „Spezialisten“. Er fischte uns direkt im Flughafen ab, versprach ein unvergessliches 3-Tage Programm zu Top-Konditionen.
- Am ersten Tag das Ägyptischen Museum.
- Am zweiten Tag mit Kamelen zu den Pyramiden und ein Besuch der Selben .
- Am dritten Tag standen der Besuch einer Teppich-Manufaktur, eines Restaurants und eine Führung durch einen Basar auf dem Programm.
Alle Fahrtkosten, Eintrittspreise und sonstigen Kosten seien schon eingerechnet.
Das war im Jahr 1991. Zu der Zeit lag der staatlich verordnete Mindestlohn in Ägypten bei 35 Ägyptische Pfund, umgerechnet 2 US-Dollar.
Ich weiß nicht mehr, wie viele Pfund damals ein Taxifahrer am Tag verdiente oder was der Eintritt in das Ägyptische Museum kostete, ich weiß nur was wir beide zahlten: 120 US-Dollar (2.000 Ägyptische Pfund), damals entsprach das dem 57-fachen Monats-Mindestlohns.
Was wurde uns für den 57-fachen Mindestlohn geboten? Der Besuch im Ägyptischen Museum war Standard, den (extra zu bezahlenden) Mumiensaal sahen wir leider nicht. Unser Führer sparte offenbar an den Zusatzkosten. Wir hätten uns letztendlich Eintrittskarten für wenige ägyptische Pfund selber kaufen können, unser „Führer“ war weder eine Hilfe noch Bereicherung. Während wir hastig und ziellos durch das überfüllte Museum liefen, sonnte er sich am Taxistand.
Der Ritt mit dem Kamel durch die Wüste war okay. Wir mussten uns zwar ein Kamel teilen, weil unser „Führer“ mal wieder Geld sparte, aber es gab weiter nichts zu beanstanden.
Tatsächlich landeten wir in der Nähe (!) bei den Pyramiden, rein kamen wir aber nicht. Angeblich gab es Probleme. Wir hatten in diesem Sommer verschiedene Pechsträhnen. In Pisa kamen wir nicht auf den Schiefen Turm – er war wegen Bauarbeiten gesperrt. In Athen war der Aufstieg zur Akropolis verwehrt – wegen Bauarbeiten. Wenigstens war Venedig nicht überflutet und das Kolosseum in Rom nicht abgebrannt. Die Sache mit den geschlossenen Pyramiden in Kairo stuften wir demzufolge als relativ „wahr“ ein, bei dem Pech, das wir bisher hatten.
Damals glaubten wir unserem „Reiseführer“, dass es derzeit generelle „Probleme“ mit den Pyramiden gibt und versuchten es nicht gar nicht erst erneut mit einem anderen „Guide“ oder auf eigene Faust. Schade, es war unsere einzige gemeinsame Ägypten-Reise und dann ausgerechnet ohne das Highlight der Pyramiden.
Am dritten Tag wurden wir in eine Oase gefahren. Das in einem alten Steinofen gebackene frische Fladenbrot sowie diverse einheimischen Speisen waren im Preis unserer gebuchten Tour inbegriffen – Getränke (Coca Cola) mussten wir zusätzlich zahlen. Wir fühlten uns glücklich, wie im Paradies. Die für uns riesigen Dattelpalmen und exotischen „Bananen-Pflanzen“ wirkten wie aus einer anderen Welt – was sie ja auch waren. Der Gummibaum in unserer Schule war erheblich kleiner.
In der Teppich-Manufaktur wurde gezeigt, wie fleißige Kinder in Windeseile Zeile um Zeile knüpften. Wir bewunderten die Kinder, die schon in so jungen Jahren Verantwortung für die Finanzen der Familie übernahmen. Wir – spielten in ihrem Alter noch auf dem Spielplatz. Dass es sich um in Deutschland verbotene Kinderarbeit handelte, kam uns nicht in den Sinn.
Em Ende der Führung durften wir uns selber an einem Webstuhl ausprobieren und Fotos schießen.
Im Basar besuchten wir eine Parfüm-Manufaktur mit etlichen (Plagiaten) bekannter Marken. Der Inhaber war ein Bekannter unseres „Reiseführer“ und ich stand damals auf „Fahrenheit“ von Dior. Statt 75 D-Mark kostete hier die große „Flasche“ lediglich 30 D-Mark. Das Produkt sah wie original „Fahrenheit“ aus und ich schlug zu. Das die Essenz so gar nicht nach „Fahrenheit“ duftet, erklärte der Verkäufer mit folgenden Worten: „In Europa bekommt ihr nur ein verdünntes Fahrenheit, wir produzieren und verkaufen ein ungestrecktes Parfüm zu einem Bruchteil des deutschen Preises. Unser „Fahrenheit“ ist ein Konzentrat von Dior.“ Ja, damals mit 21, glaubte ich noch die meisten Menschen sind ehrlich…
Allein an diesen drei Tagen und nur durch uns verdiente irgendjemand das Zigfache eines ägyptischen Monats-Mindestlohn. Ob unser „Reiseführer“ ein einfacher Taxifahrer oder ein Faden in einer Touristen-Abzock-Masche war, wissen wir nicht. Wir wussten aber – beim nächsten Mal kaufen wir uns Eintrittskarten selber und rufen ein Taxi, wenn es von A nach B gehen soll.
https://www.finanzen.net/waehrungsrechner/us-dollar_aegyptisches-pfund